Wie ist euer Alltag mit Narkolepsie?
Die Tochter von Marie-Theres hat die Schlafkrankheit. Wie das die Familie beeinflusst, erzählt sie im Interview.

Narkolepsie ist eine seltene Erkrankung. Sie wird auch Schlafkrankheit genannt, denn Betroffene fühlen sich tagsüber oft sehr schlapp und abgeschlagen. Teilweise schlafen sie auch binnen Minuten einfach ein – egal wo, egal wann. 

Die Schläfrigkeit übermannt sie aus dem Nichts, die Muskeln erschlaffen und ein kurzes Nickerchen wird unvermeidlich. Die DGSM, die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, betont, dass die Schläfrigkeit bei Narkoleptikern keine Müdigkeit ist, sondern ein krankhafter Drang zu schlafen. Gegen diesen können sie nichts tun.

Die Krankheit beeinflusst aber nicht nur den Alltag der Narkoleptiker selbst. Auch Familie, Freunde, Arbeitskollegen und Mitschüler müssen lernen, wie sie mit den Schlafattacken umgehen. Die Tochter von Marie-Theres hat die Schlafkrankheit auch. Welche Sorgen und Ängste man als Mama eines narkoleptischen Kindes hat, wie die Krankheit den Alltag und das Familienleben bestimmt und in welchen Momenten das Mama-Tochter-Team herzlich über die Schlafattacken lachen kann, liest du im Interview.

Liebe Marie-Theres, wann gab es die ersten Narkolepsie-Anzeichen? Und welche waren das?

Wenige Monate vor ihrem 4. Geburtstag fiel mir auf, dass meine Tochter müder wirkte als sonst. Wenn ich sie nachmittags aus der Kita abholte, schlief sie mir manchmal hinten auf dem Fahrradsitz ein. Die Kinderärztin meinte, das wäre bestimmt eine Entwicklungsphase, nach dem Motto: „Kinder wachsen im Schlaf“. Mir kam es jedoch komisch vor, vor allem, weil die Müdigkeit mit der Zeit immer auffälliger wurde. Ein paar Wochen später fielen ihr bereits im Morgenkreis in der Kita die Augen zu. Ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Bald kamen noch weitere Anzeichen für eine Erkrankung hinzu: Sie hatte plötzlich einen ungewohnt großen Appetit, nahm in kurzer Zeit stark zu und konnte ihre Körperspannung nicht mehr kontrollieren. Wenn sie müde wurde, sackten ihr manchmal die Knie weg. Beim Lachen fiel ihr Kopf nach hinten, weil die Nackenmuskulatur einfach nachgab. Außerdem stand ihr Mund oft weit offen und ihre Zunge ragte ein Stück heraus.

Ihr habt euch daraufhin auf eine Diagnose-Odyssee begeben. Wie ging es dir als Mama bei der Suche nach der Ursache?

Wir waren viele Male bei der Kinderärztin. Es wurde Blut abgenommen, unter anderem, um Leukämie ausschließen zu können. Das Ergebnis war negativ, das Blutbild völlig okay. Dann kam der Verdacht auf, es sei möglicherweise Pfeiffersches Drüsenfieber oder ein anderer Infekt. Weitere Tests folgten, doch die Ärztin konnte nichts Ungewöhnliches feststellen. Erst als sie live miterlebte wie meine Tochter weiche Knie bekam und unkoordiniert vor sich hin stolperte, wies sie uns unverzüglich ins Krankenhaus ein. Der Neurologe stellte dort schnell die Diagnose Narkolepsie. Die Untersuchung des Nervenwassers im Labor dauerte aber mehr als vier Monate, und solange hatten wir eben keine Gewissheit. Mir ging es in dieser Zeit überhaupt nicht gut. Es war ein Wechselbad der Gefühle zwischen Bangen, Hoffen und Verdrängen. Für meine Tochter blieb ich stark, auch als die Diagnose dann bestätigt wurde.

Nun hattet ihr Gewissheit, dass deine Tochter Narkolepsie hat. Wie habt ihr euch auf die Krankheit eingestellt?

Das Gute an der Diagnose war, dass damit die Medikation beginnen konnte. Mit der Einnahme der Medikamente hat sich unser Alltag wieder etwas entspannt. Der Arzt riet uns zu einer festen Schlafroutine, also jeden Tag zur etwa gleichen Zeit aufstehen und schlafen gehen, und eine fixe Zeit für einen Mittagsschlaf einplanen. Im Kindergarten konnte sich meine Tochter in eine Art Höhle im Gruppenraum zurückziehen, in der eine Matratze lag. Dort hat sie ihre Mittagspause verbracht.

Musst du deinen Alltag anders planen als andere Mütter? Zum Beispiel, wenn du einen Ausflug mit deiner Tochter planst.

Auf jeden Fall! Bei längeren Ausflügen muss ich den Mittagsschlaf stets mit bedenken und geeignete Schlaforte finden. Manchmal zwingt uns die Müdigkeit dazu, ganz schnell die nächste Parkbank oder ein Café aufzusuchen, wo meine Tochter dann auch mal eine knappe Stunde ratzt. Als wir kürzlich für ein paar Tage in Rom waren, hat sie oben auf dem Palatinhügel geschlafen. Unsere Sommerurlaube machen wir nur noch am Strand, wo sie sich jederzeit in unsere Strandmuschel legen kann. So ist es für alle entspannter. Sportliche Aktivitäten versuchen wir auf den Vormittag oder den frühen Nachmittag zu legen, wenn sie am fittesten ist. Und das Auto ist leider unverzichtbar geworden.

Inzwischen ist deine Kleine ein Schulkind. Welche Sorgen hattest du vor der Einschulung?

Als die Einschulung bevorstand, hatte ich schon etwas Sorge. Da meine Tochter in monotonen Situationen wie Autofahren, im Wartezimmer sitzen oder am Gottesdienst teilnehmen eher dazu neigt, einzuschlafen, hatte ich die Befürchtung, dass es im Unterricht ähnlich wird. Zudem hatte ich Angst vor den Reaktionen ihrer Mitschülerinnen und -schüler. Glücklicherweise haben sich beide Befürchtungen als unnötig erwiesen. Mit der Schule klappt es super.

Wie unterscheidet sich der Schulalltag deiner Tochter von dem anderer Kinder?

Der einzige Unterschied besteht darin, dass meine Tochter in der Schule einen Mittagsschlaf macht. Sie darf etwas eher zum Mittagessen gehen, weil sie manchmal so müde ist, dass sie es sonst kaum schafft. Nach dem Essen legt sie sich für eine Stunde in die Schulbibliothek. Dort hat ihr die Schule ein kleines Schlaflager eingerichtet. Anschließend ist sie wieder fit und macht mit den anderen zusammen die Hausaufgaben.

Welche Gedanken hast du, wenn du an ihre Zukunft denkst? Sie wird zum Beispiel nicht jeden Beruf ausüben können.

Das stimmt. Sie wird sicherlich keine Pilotin, Seiltänzerin oder Chirurgin werden. Aber sie ist klug und empathisch und geht schon jetzt sehr gut mit ihrer Erkrankung um. Ich bin mir sicher, dass sie ihr Leben sehr gut meistern wird. Napoleon, Winston Churchill und Alfred Hitchcock hatten übrigens auch Narkolepsie.

Wow, da kann sie ja in große Fußstapfen treten. Gibt es eigentlich auch Momente, in denen ihr herzlich über die Erkrankung lachen könnt?

Ja, zum Beispiel als ich festgestellt habe, dass auch Hitchcock Narkoleptiker war. Meine Tochter ist ein großer Fan von Alfred Hitchcock und den „Die drei Fragezeichen“. Manchmal witzeln wir auch darüber, dass die Müdigkeit – so nennen wir ihre Krankheit – eigentlich eine ganz angenehme Sache ist. Wenn meine Tochter in der Schule pennt, haben alle vollstes Verständnis. Und sie hat sogar die offizielle Erlaubnis der Kinderärztin Cola zu trinken. Da ist sie mächtig stolz drauf.

Kennst du Anlaufstellen oder Informationszentren für Eltern, deren Kinder Narkolepsie haben?

Wir sind Mitglied in der DNG, der Deutschen Narkolepsie-Gesellschaft. Auf deren Website selbst gibt es viele hilfreiche Informationen für Betroffene und Angehörige. Außerdem gibt es regionale Selbsthilfegruppen, in denen man sich ganz nach Bedarf austauschen kann. Eine absolute Hilfestellung ist unsere Mutti-Whatsapp-Gruppe, in der mittlerweile auch ein paar Papis von Kindern mit Narkolepsie sind. Wenn man eine Frage hat, den Rat anderer Betroffener benötigt oder sich nur mal ausheulen muss, fangen einen 60 andere Eltern auf, die genau wissen, wie es dir geht. Zu spüren, dass man nicht alleine ist, macht das Leben mit der Krankheit so viel erträglicher.

Vielen Dank für das Interview.

Nachtrag: Marie-Theres bloggte unter narkolepsie-kids.de über ihre Erfahrungen und den Alltag mit ihrer kleinen Schlafmütze. Doch inzwischen ist der Blog offline.

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