Wie träumen blinde Menschen?
Wann wird man müde, wenn es immer dunkel ist? Heiko Kunert, der mit sieben Jahren erblindet ist, erzählt.

Lieber Heiko, wann wird man als blinder Mensch müde, wenn es immer dunkel ist?

Blind ist nicht gleichbedeutend mit vollkommener Dunkelheit. Als blind gilt man in Deutschland, wenn man auf dem besseren Auge weniger als 2% Sehvermögen hat. Sprich: ein Großteil der 120.000 bis 150.000 blinden Menschen hierzulande nimmt noch Licht wahr, oft auch noch Konturen oder starke Kontraste. Aber natürlich gibt es auch Menschen wie mich, die wirklich gar nichts sehen können. Sonnenlicht nimmt man allerdings nicht nur mit dem Augen wahr, sondern auch mit der Haut. Auch der Duft der Luft ist am Tag anders als am Abend und in der Nacht. Außerdem klingt die Welt am Tag anders – Vögel zwitschern, es sind mehr Menschen unterwegs. Am Abend wird es selbst in der Stadt ruhiger. Das überträgt sich auch auf die Stimmung. Und schließlich stehe ich ja auch morgens auf, gehe zur Arbeit, und selbstverständlich werde ich dann am Abend auch irgendwann müde, weil der Körper Ruhe benötigt.

Haben blinde Menschen häufiger Schwierigkeiten zu schlafen? Verändert sich der Schlaf-Wach-Rhythmus, wenn man erblindet?

Insbesondere bei vollblinden Menschen tritt häufiger eine sog. zirkadiane Rhythmus-Schlafstörung auf. Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass sich die innere Uhr weg vom 24-Stunden-Rhythmus entfernt, zum Beispiel auf einen 25-Stunden-Rhythmus. Die Betroffenen leiden in der Folge unter Schlappheit und Müdigkeit am Tag. Das selbe Phänomen tritt aber auch bei sehenden Menschen auf, häufig bei Menschen im Schichtdienst. Es kursieren Zahlen, wonach 50% der vollblinden Menschen hiervon betroffen seien. Einschränkend sollte man aber auch erwähnen, dass diese Zahlen in den letzten Jahren insbesondere von Pharmafirmen gehypt wurden, die entsprechende Medikamente verkaufen wollen.

Die Träume von sehenden Menschen sind bunt. Gibt es Bilder in deinen Träumen?

Ich bin mit sieben Jahren erblindet. In meinem Gedächtnis gibt es also auch noch visuelle Erinnerungen. Diese tauchen immer noch gelegentlich in meinen Träumen auf. Meistens allerdings nehme ich die Welt im Traum mit denselben Sinnen wahr wie am Tag, vor allem eben mit dem Tastsinn und dem Gehör. Vollblinde Menschen, die bereits von Geburt an nicht sehen konnten, sehen selbstverständlich auch im Traum keine Bilder und Farben.

Welche Sinne sind bei dir besonders aktiv, wenn du träumst?

Wie gesagt, da sich Träume aus dem speisen, was in meinem Gehirn an „Rohmaterial“ vorhanden ist, sind auch meine Träume vor allem vom Hören und Fühlen geprägt. Das ist meine Art, meine Umwelt wahrzunehmen, zusammen mit dem Duft- und Geschmackssinn. Ich finde immer spannend, dass ich so häufig nach meinen Träumen gefragt werde – nicht nur von Dir, sondern ganz oft, wenn ich Leute treffe, die zuvor noch nie mit blinden Menschen Kontakt hatten. Wahrscheinlich liegt das daran, dass für Sehende insbesondere die Bilder aus den Träumen hängen bleiben und auch am Tag das Visuelle der Sinn ist, der die allermeisten Eindrücke liefert. Für mich aber spielt das Aussehen von Menschen und Dingen im Alltag eine untergeordnete Rolle. Das bedeutet nicht, dass meine Welt nicht bunt ist. Düfte, Klänge, Erfühltes vermitteln eben auch viele Informationen und Eindrücke – im realen Leben wie auch im Traum.

Herzlichen Dank an Heiko Kunert für das spannende Interview!

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